Gewitter-Vorhersage beim Deutschen Wetterdienst (DWD)

Wie entsteht z.B. eine Rollcloud, Tornado, ...? Was ist die F-Skala etc ...?
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ThomasWWN
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Sonntag 4. September 2011, 12:48

04.09.2011, 08:18 Uhr

Ein ganz normaler Gewitter(arbeits)tag

Nachdem der Sommer im Juli in weiter Ferne zu sein schien, ist er im
August zurückgekehrt und versüßt auch noch den Beginn des Septembers.
Leider hat das Sommerwetter auch seine Tücken, denn um
hochsommerliche Temperaturen zu erreichen, bedarf es häufig
Luftmassen aus dem Südwesten von Europa. Diese sind allerdings meist
auch sehr feucht. Die Folge sind teils kräftige Gewitter bis in den
Unwetterbereich. Im August war das recht häufig der Fall und wie der
heutige Sonntag zeigt, gilt dies auch für den Septemberbeginn.

Manch einer wird sich in den letzten Wochen vielleicht gefragt haben,
wie solch ein Gewittertag eigentlich bei den Meteorologen im DWD
abläuft. Darauf soll im heutigen Thema des Tages eingegangen werden.


Die Grundlage für eine gute Prognose sind die Wettermodelle. Beginnt
eine Schicht, so schaut man sich zunächst die verschiedenen zur
Verfügung stehenden Modellparameter an. Geht es um die Vorhersage von
Gewittern, so betrachtet man zum Beispiel die Labilität der
Atmosphäre, den zur Verfügung stehenden Flüssigwassergehalt oder aber
den Wind in verschiedenen Höhenleveln. Damit ist es möglich
herauszufinden, in welche Gebieten Gewitter auftreten können und wie
groß das Gefährdungspotential für heftigere Wettererscheinungen ist.
Auch lässt sich dadurch abstecken, ob die Hauptgefahr in den
Gewittern eher von Hagel, Starkregen oder Wind ausgeht.

Wie schon oft thematisiert, sind Wettermodelle nicht perfekt.
Insbesondere bei konvektiven Wetterereignissen (Schauer und Gewitter)
gibt es ein erhöhtes Unsicherheitspotential. Dies ist vor allem der
Kleinräumigkeit dieser Phänomene geschuldet. Umso wichtiger ist es,
das aktuell vom Modell vorhergesagte Wetter mit der Realität zu
vergleichen. Stimmt beispielsweise die Lage der aktuell aktiven
Schauer/Gewitter mit der Vorgabe im Modell überein, dann sind die
Modellprognosen für die Zukunft sehr gut zu gebrauchen. Wenn hingegen
Niederschlagsgebiete nur unzureichend oder gar nicht erfasst werden,
so muss auch die weitere Entwicklung des betreffenden Modells in
Frage gestellt werden. Diese Vorgehensweise wendet man nun auf alle
zur Verfügung stehenden Modelle an und erstellt sich damit die
bestmögliche Vorhersage.

Hat man sich ersteinmal in die Wetterlage eingearbeitet, dann geht es
mit dem Auftreten der ersten Gewitter direkt ans Eingemachte.
Nowcasting (= Jetztprognose) ist angesagt. In dieser Phase schaut man
nun auf alle zur Verfügung stehenden Hilfsmittel, die dem
Warnmeteorologen erlauben, das entstandene Gewitter zu bewerten.

Ganz wichtig sind dabei natürlich die direkten Beobachtungen an den
Wetterstationen. Erst dadurch bekommt man eine Bestätigung für eine
bestimmte Niederschlagsmenge oder Windböe. Oben wurde bereits die
Kleinräumigkeit von Schauern/Gewittern angesprochen. Entsprechend ist
es nicht selten, dass die intensivsten Wetterunbilden nicht direkt
über eine Messstation ziehen. Hier nun kommen die
Fernerkundungsmittel ins Spiel. Das sind Satelliten- und Radarbilder.


Dazu zwei Beispiele: Mit dem Satelliten ist es möglich, die
Temperatur an der Oberkante der Wolke zu messen. Je kälter diese ist,
desto hoch reichender sind die Wolken. Damit lassen sich Rückschlüsse
auf die vertikale Mächtigkeit und damit auch die Intensität der
Gewitter machen. Ein anderes Beispiel sind aus dem Radar abgeleitete
Niederschlagssummen. Eigentlich wird mit Hilfe von Radarstrahlen die
Reflektivität an Niederschlagspartikeln gemessen. Allein dies ist
schon ein Hinweis auf die Intensität des Niederschlags oder die
Wahrscheinlichkeit von Hagel. Mit einer Umrechnungsformel lässt sich
die Reflektivität aber auch in eine Niederschlagsmenge umrechnen.
Diese lassen sich nun fortlaufend über die vergangene Stunde
aufsummieren. Somit bekommt man auch ohne direkt Stationsmessung eine
Idee von der in einem bestimmten Gebiet gefallenen
Niederschlagssumme.

Dies sind nur zwei Beispiele von vielen. Die Kunst oder besser die
Fähigkeit des Meteorologen besteht nun darin, all die ihm zur
Verfügung stehenden Hilfsmittel zusammen zu fassen, daraus das
Gefährdungspotential des Gewitters abzuleiten und schließlich die
passende Warnung abzusetzen. Dass dies kein einfaches Unterfangen
ist, kann man sich sicherlich denken. Es bedarf einer guten
Ausbildung und ein Stück weit Erfahrung um diese Herausforderung
bestmöglich bewältigen zu können.

Ausgehend von der Modellprognose, über die Beobachtung der aktuellen
Situation bis hin zur eigentlichen Warnausgabe, ist die
Gewitterprognose einer der anspruchsvollsten, aber auch
interessantesten Gebiete in der Wettervorhersage. Nach einer
erfolgreichen Warnschicht geht man schließlich geschafft, aber auch
zufrieden, nach Hause.

Dipl.-Met. Marcus Beyer
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 04.09.2011

Copyright (c) Deutscher Wetterdienst
Quelle: http://www.dwd.de/tagesthema
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Sonntag 4. September 2011, 21:03

ThomasWWN hat geschrieben:
04.09.2011, 08:18 Uhr

....
Wie schon oft thematisiert, sind Wettermodelle nicht perfekt.
Insbesondere bei konvektiven Wetterereignissen (Schauer und Gewitter)
gibt es ein erhöhtes Unsicherheitspotential. Dies ist vor allem der
Kleinräumigkeit dieser Phänomene geschuldet. Umso wichtiger ist es,
das aktuell vom Modell vorhergesagte Wetter mit der Realität zu
vergleichen. Stimmt beispielsweise die Lage der aktuell aktiven
Schauer/Gewitter mit der Vorgabe im Modell überein, dann sind die
Modellprognosen für die Zukunft sehr gut zu gebrauchen. Wenn hingegen
Niederschlagsgebiete nur unzureichend oder gar nicht erfasst werden,
so muss auch die weitere Entwicklung des betreffenden Modells in
Frage gestellt werden.
Diese Vorgehensweise wendet man nun auf alle
zur Verfügung stehenden Modelle an und erstellt sich damit die
bestmögliche Vorhersage.

....
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Quelle: http://www.dwd.de/tagesthema

Das Um und Auf eines erfolgreichen Chasings (wenn einem nicht die Ortsunkenntnis zur Verhängnis wird so wie uns neulich) wird hier in diesem Absatz beschrieben, wenn einem nicht die Mesos quasi "in die Hände" fallen wie oft in der SO-Stmk ;) . Modelle vergleichen mit der Ist-Situation und das Modell, das die Ist-Situation am besten drinnen hatte für die weitere Planung nehmen (zusammen mit z.B. den neuen freien VERA-Karten). Nur als Tipp für die noch nicht so erfahrenen
Klosterneuburg-Scheiblingstein, 487 m (gemessen mit NÖGIS), Wienerwald, Bezirk Wien Umgebung


http://www.fotografie.at/galerie/nadjap
http://www.facebook.com/NadjaPohlPhotography
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