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Zutaten für erdblitzreiche Gewitter

Verfasst: Dienstag 4. August 2009, 13:23
von Exilfranke1
Zutaten für CG-Lightning (Cloud-to-Ground)

Nach MacGorman und Rust (1998) sind starke Aufwinde mit heftigem, konvektiven Wachstum in dem unteren Teil der Mischungsphasenregion der Wolke
für erdblitzreiche Gewitter verantwortlich. Die Mischungsphase beinhaltet sowohl unterkühltes Flüssigwasser als auch Eis, die gleichzeitig existieren.

Die Eiskernbildung findet zwischen -5°C und -10°C statt, während unterkühltes Flüssigwasser ab -40°C gefriert, folglich befindet sich die Mischungsphasenwolkenschicht zwischen -10°C und -40°C. Die Wechselwirkung zwischen unterkühltem Flüssigwasser und Eiskernen, welche zur Graupelbildung führt, wird für die elektrische Aufladung in dieser Wolkenschicht verantwortlich gemacht.

Da unterkühltes Flüssigwasser gegenüber Eis übersättigt ist, wird der Bergeron-Findeisen-Prozess aktiv, der das unterkühlte Flüssigwasser verdunstet und das Eis durch Deposition wachsen lässt. Um unterkühltes Flüssigwasser im ausreichenden Maße zu erhalten und gleichzeitig das Gewicht des wachsenden Graupels zu tragen, müssen starke Aufwinde vorhanden sein. Stark wird von beiden Autoren als "wenigstens 6-7 m/s" definiert, das entspricht rund 18-25 J/kg CAPE, wenn man Ausdünnungseffekte der Wolke durch trockenere Luft in der Umgebung vernachlässigt. Folglich genügen 18-25 J/kg CAPE in der Mischungsphasenschicht, um Erdblitze zu verursachen.

Bright et.al (2005) konstatiert drei Kriterien für die Wahrscheinlichkeit von Erdblitzen:

1. Das Hebungskondensationsniveau (LCL) ist wärmer als -10°C (damit wird gewährleistet, dass eine bodennahe Quelle für unterkühltes Wolkenwasser präsent ist)

2. Das Gleichgewichtsniveau (Equilibrium Level = EL), respektive die Höhe, ab der keine Labilität mehr vorhanden ist, ist kälter als -20°C (Eiskernbildung)

3. CAPE erreicht Werte von über 100-200 J/kg innerhalb der 0°C bis -20°C-Schicht (notwendig, um genügend Aufwinde für Elektrifizierung zu erhalten)

Das von mir hier zitierte Paper von van der Broeke et.al (2005) passt das 3. Kriterium auf -10 bis -20°C an und führt dazu zwei Beispiele von Derechos in den USA an (1998 und 2003). Hierbei ist interessant, dass trotz Fortsetzung der Macrobursts (flächige Downbursts) ab einem bestimmten Zeitpunkt keine oder nur noch geringe Erdblitzaktivität auftrat. Die entsprechenden Sondenaufstiege zeigen, dass die Labilität zunehmend von den unteren 2-3km abgehoben wurde und somit Kriterium 3 nicht mehr erfüllt wurde. Selbst nichtgewittrige Gewitterlinien können aber schwere Windschäden verursachen.

Hier ein sehr schönes Beispiel und zugleich Bestätigung der obigen Kriterien:

Innsbruck, 29. Juli 2008, Video siehe: http://www.youtube.com/watch?v=auFbaL_FRyI" onclick="window.open(this.href);return false;

Es handelte sich um eines der blitzreichsten Gewitter der letzten Jahrzehnte mit Blitzeinschlägen im Sekundentakt.

Ich habe mir die Mühe gemacht und anhand der Temperatur- und Taupunktswerte in der Umgebung zum Zeitpunkt des Gewitters (19 UTC)
die Schichtung bei Innsbruck zu konstruieren:

Bild

Quelle: http://weather.uwyo.edu/upperair/europe.html" onclick="window.open(this.href);return false;

Zur Erklärung der Farben:

Rot ist die modifizierte Temperaturlinie, dunkelblau die modifizierte Taupunktslinie, die gelbe Linie repräsentiert die Linie gleichen Mischungsverhältnis (ca. 11 g/kg), die zu dem LCL zum Gewitterzeitpunkt führt (ziemlich genau auf 800hPa). Das LCL war mit ca. +12°C erheblich wärmer als -10°C, somit ist das erste Kriterium erfüllt.

Die grüne Linie repräsentiert die Hebungskurve, die zwischen roter bzw. schwarzer Temperaturlinie und Hebungskurve eingeschlossene Fläche ist die konvektiv verfügbare potentielle Energie (CAPE). Das EL lag demnach bei ca. 11500m, die Temperatur des EL betrug damit ca. -55°C, somit ist auch das zweite Kriterium erfüllt.

Türkis markiert hab ich weiters die -10°C und -20°C-Isothermen. Wie man deutlich erkennen kann, herrscht in diesem Bereich zwischen Temperatur- und Hebungskurve ein großer Abstand, gleichbedeutend mit viel CAPE, geschätzt auf jeden Fall über 100 J/kg, somit ist auch das dritte Kriterium erfüllt.

Fazit: Die Bedingungen am 29. Juli 2008, abends, waren für blitzreiche Gewitter hinreichend gegeben.

Literatur:

* Van der Broeke et al.(2005), Cloud-to-Ground-Lightning Production in Strongly Forced, Low-Instability Convective Linies Associated with Damaging Wind
* Bright et al. (2005), A physically based parameter for lightning prediction and its calibration in ensemble forecasts
* MacGorman and Rust (1998), The electrial nature of storms, Oxford University Press, 422 pp.

Re: Zutaten für erdblitzreiche Gewitter

Verfasst: Mittwoch 5. August 2009, 08:19
von strolch
danke felix für den interessanten beitrag ;)

Re: Zutaten für erdblitzreiche Gewitter

Verfasst: Montag 24. August 2009, 20:58
von Markus
vielen dank für diesen beitrag!

Re: Zutaten für erdblitzreiche Gewitter

Verfasst: Freitag 28. August 2009, 14:33
von Herfried
Interessant wäre auch eien begründung, wenn irgendjemand eine ursache vermutet, warum manche Gewitter zewar extrem blitzreich sind, aber kaum Blodenblitze bringen.

Die Kriterien sind ja, so wie ich das sehen, eher mal allgemeine Blitzkriterien, das brauchts zur Ladugnstrennung per se...

Re: Zutaten für erdblitzreiche Gewitter

Verfasst: Freitag 28. August 2009, 14:56
von chris-wels
danke felix - manche dinge lernt man immer wieder dazu

lg chris

Re: Zutaten für erdblitzreiche Gewitter

Verfasst: Freitag 28. August 2009, 16:08
von Stefan.W
Danke, sehr interessant

aber:
Selbst nichtgewittrige Gewitterlinien können aber schwere Windschäden verursachen.
Was ist eine nicht gewittrige Gewitterlinie?

Re: Zutaten für erdblitzreiche Gewitter

Verfasst: Dienstag 1. September 2009, 22:59
von Exilfranke1
Stefan.W hat geschrieben:Danke, sehr interessant

aber:
Selbst nichtgewittrige Gewitterlinien können aber schwere Windschäden verursachen.
Was ist eine nicht gewittrige Gewitterlinie?
*rofl* :brüll *rofl* *rofl* *rofl* *rofl* :brüll :brüll :brüll

Hachja...

meinte natürlich nichtgewittrige Böenlinie (to squall heißt schreien, stürmen, bzw. böen).