2.7.2020 Begehung des Eiskargletschers, oder wie sich 12m Schnee anfühlen

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Gerhard-Villach
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Freitag 3. Juli 2020, 13:38

Hallo!

Nach langer Zeit melde ich mich wieder einmal :)

Der Winter 2019/20 hatte ja besonders zu Beginn (im Noveber 2019) extreme Neuschneemengen am südlichsten Gletscher Österreichs gebracht. Nach einem schneearmen Hoch- und Spätwinter folgte ein praktisch neuschneeloser aber "nur" durchschnittlich warmer Mai. Die noch größere Sensation war dann ein durchschnittlich temperierter Juni. Dies war zuletzt 2013 der Fall.

Nachdem es mir Ende Mai leider nicht möglich war zum Gletscher aufzusteigen, konnte ich mir nun höchst persönlich ein Bild von der Schneelage im Eiskar machen. Schon der erste Blick über den Gletscher war ganz zufriedenstellend. Bis auf wenige kleine Bereiche im östlichen Gletscherteil ist noch der gesamte Gletscher mit Schnee bedeckt. Noch erfreulicher wurde es dann im Laufe der Schneehöhenmessungen am Gletscher. Hierfür haben wir eine 12m lange Lawinensonde mitgeführt, wobei die 12m doch sehr optimistisch erschienen, nachdem das Sondierungsteam Ende Mai 2020 "nur" eine maximale Schneehöhe von knapp über 11m feststellen konnte.

Aber erstens kommt es anders und zweitens als man denkt. Denn bei den Schneehöhensondierugen war man Ende Mai in rund 8m Tiefe auf eine Eisschicht gelangt, welche mit der Sonde nicht durchstoßen werden konnte. Damals hatte das Messteam geglaubt, sie hätten die Eisoberfläche erreicht. Anfang Juli konnten wir unter großer Anstrengung diese extrem kompakte Schicht durchstoßen. Im Bereich des Eisscheitels sowie in der gesamten Gletscherzunge haben wir die 12m lange Lawinensonde mehrmals komplett versenkt! Das entspricht in etwa der Höhe eines 3-geschoßigen Hauses!

Man muss sich diese Zahl einmal auf der Zunge zergehen lassen. Mehr als 12m Schnee am 2. Juli! Nur zum Vergleich: am Sonnblick in den Hohen Tauern liegt auf rund 3000m aktuell etwas mehr als 3m Schnee. Das zeigt schon, welch außergewöhnlicher Gletscher sich hier in den Karnischen Alpen befindet und wie wichtig es ist, dessen Veränderung und Entwicklung zu beobachten und zu dokumentieren.

Anbei noch ein paar Eindrück samt Vergleich jeweils Juli Fotos (von oben nach unten immer 2020, 2019 (schlechtes Jahr), 2014 (Rekordjahr):

Blick von Osten:
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Der höchste Punkt:
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Die Gletscherzunge (Blick Gletscher aufwärts):
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Alle Infos zur aktuellen Lage gibt es hier:
https://feiersinger.jimdofree.com/eiska ... -2-7-2020/


mfg Gerhard
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Helmut Graz
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Freitag 3. Juli 2020, 17:13

Unglaublich mehr als 12m, da sieht man erst was da oben an Niederschlag fallen kann, wieviel Schnee muss es da erst in früheren kälteren Zeiten gegeben haben. Danke für den tollen Bericht. *bravo*
lg Helmut Kalsdorf b. Graz
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nuntius
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Freitag 3. Juli 2020, 21:33

Auf deinen Bericht bin ich jedes Jahr auf's neue gespannt! Immer sehr interessant. Vielen Dank! :)
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Feli
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Samstag 4. Juli 2020, 06:27

sehr interessant und beeindruckend - anhand der vergleichsfotos kann sich jeder was vorstellen...
*ja*
liebe grüsse
(die) Feli
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I took a heavenly ride through our silence, I knew the waiting had begun. And headed straight into the shining sun -D. Gilmore
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Gerhard-Villach
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Samstag 4. Juli 2020, 06:59

Helmut Graz hat geschrieben:
Freitag 3. Juli 2020, 17:13
Unglaublich mehr als 12m, da sieht man erst was da oben an Niederschlag fallen kann, wieviel Schnee muss es da erst in früheren kälteren Zeiten gegeben haben. Danke für den tollen Bericht. *bravo*
Lieber Helmut!

Früher gab es nicht wirklich mehr Schnee. Nur die Temperaturen waren halt um 2 Grad tiefer!
Der Mai war in den 1970er Jahren im Mittel noch kein Schmelzmonat und im Sommer gab es nicht mehrere Hitzewellen.
Das machte den Unterschied.
Schneemassen, wie im heurigen Winter, gab es in früheren Jahrzehnten nicht häufiger.
Einzig zwischen den 1890er Jahren und etwa 1920 gab es gehäuft Winter mit wirklich sehr viel Schnee (damals auch bis ins Tal), Diese schneereichen Winter und auch kühlen Sommer führten zu einem deutlichen Gletschervorstoß bis 1920.

lg Gerhard
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mani
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Sonntag 12. Juli 2020, 11:18

Interessante Infos aus dem Süden, vielen Dank auch für die Bilder :)

lg, Mani
Wien 20. beim Donaukanal (170 m) *snowman* oder Wels (319 m) *snow2* *snow1* [x] oder demnächst sonstwo (natürlich im Schnäää ;))
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SteHo
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Montag 13. Juli 2020, 10:52

Gerhard-Villach hat geschrieben:
Samstag 4. Juli 2020, 06:59
Helmut Graz hat geschrieben:
Freitag 3. Juli 2020, 17:13
Unglaublich mehr als 12m, da sieht man erst was da oben an Niederschlag fallen kann, wieviel Schnee muss es da erst in früheren kälteren Zeiten gegeben haben. Danke für den tollen Bericht. *bravo*
Lieber Helmut!

Früher gab es nicht wirklich mehr Schnee. Nur die Temperaturen waren halt um 2 Grad tiefer!
Der Mai war in den 1970er Jahren im Mittel noch kein Schmelzmonat und im Sommer gab es nicht mehrere Hitzewellen.
Das machte den Unterschied.
Schneemassen, wie im heurigen Winter, gab es in früheren Jahrzehnten nicht häufiger.
Einzig zwischen den 1890er Jahren und etwa 1920 gab es gehäuft Winter mit wirklich sehr viel Schnee (damals auch bis ins Tal), Diese schneereichen Winter und auch kühlen Sommer führten zu einem deutlichen Gletschervorstoß bis 1920.

lg Gerhard
Danke für den wie jedes Jahr spektakulären Bericht!

Wie viel von den 12 m Schnee sind denn dort heuer gefallen und wie viele sind Firn vom letzten Jahr? Zudem deutet die Kessellage dort ja auch daraufhin dass dort einiges an Schnee nicht in-situ vom Himmel fällt sondern von oberhalb mittels Verwehungen oder Lawinen dort hintransportiert wird oder? Also wirklich vergleichen kann man die 3m vom Sonnblick und die 12 m dort sehr ws nicht. Aber das ist bei Schneemessungen im Hochgebirge sowieso meistens der Fall.

Ich war selbst schon am Sonnblick bei den Massenbilanzmessungen dabei, und auch dort hat man eine enorme Variabilität. Von 1m Akkumulation wo der Wind den Schnee verfrachtet, bis zu 7-8m hatten wir damals glaub ich alles dabei, und wir sind nicht sehr nahe zu den typischen Lawinenbahnen hingegangen.

jedenfalls danke dass du jedes Jahr diesen Bericht hier veröffentlichst, ich finde ihn großartig!
Polar- und Klimaforscher.

------------------------------------------------------------------------------------
[x] University of Oslo.
[ ] Wilhelmsburg a. d. Traisen
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ThomasPf
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Montag 13. Juli 2020, 23:31

Danke für den Bericht! :)
Liebe Grüße,
Thomas.


Hart bei Graz, Ragnitztal 47°4'25''N, 15°31'1''E, 418m ü.NN, bzw.
Graz Innere Stadt 47°04'12''N, 15°26'26''E, 353m ü.NN


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Gerhard-Villach
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Mittwoch 22. Juli 2020, 07:56

SteHo hat geschrieben:
Montag 13. Juli 2020, 10:52
Gerhard-Villach hat geschrieben:
Samstag 4. Juli 2020, 06:59
Helmut Graz hat geschrieben:
Freitag 3. Juli 2020, 17:13
Unglaublich mehr als 12m, da sieht man erst was da oben an Niederschlag fallen kann, wieviel Schnee muss es da erst in früheren kälteren Zeiten gegeben haben. Danke für den tollen Bericht. *bravo*
Lieber Helmut!

Früher gab es nicht wirklich mehr Schnee. Nur die Temperaturen waren halt um 2 Grad tiefer!
Der Mai war in den 1970er Jahren im Mittel noch kein Schmelzmonat und im Sommer gab es nicht mehrere Hitzewellen.
Das machte den Unterschied.
Schneemassen, wie im heurigen Winter, gab es in früheren Jahrzehnten nicht häufiger.
Einzig zwischen den 1890er Jahren und etwa 1920 gab es gehäuft Winter mit wirklich sehr viel Schnee (damals auch bis ins Tal), Diese schneereichen Winter und auch kühlen Sommer führten zu einem deutlichen Gletschervorstoß bis 1920.

lg Gerhard
Danke für den wie jedes Jahr spektakulären Bericht!

Wie viel von den 12 m Schnee sind denn dort heuer gefallen und wie viele sind Firn vom letzten Jahr? Zudem deutet die Kessellage dort ja auch daraufhin dass dort einiges an Schnee nicht in-situ vom Himmel fällt sondern von oberhalb mittels Verwehungen oder Lawinen dort hintransportiert wird oder? Also wirklich vergleichen kann man die 3m vom Sonnblick und die 12 m dort sehr ws nicht. Aber das ist bei Schneemessungen im Hochgebirge sowieso meistens der Fall.

Ich war selbst schon am Sonnblick bei den Massenbilanzmessungen dabei, und auch dort hat man eine enorme Variabilität. Von 1m Akkumulation wo der Wind den Schnee verfrachtet, bis zu 7-8m hatten wir damals glaub ich alles dabei, und wir sind nicht sehr nahe zu den typischen Lawinenbahnen hingegangen.

jedenfalls danke dass du jedes Jahr diesen Bericht hier veröffentlichst, ich finde ihn großartig!
Die 12m sind natürlich durch Lawinen verursacht und dementsprechend nicht mit der Messung am Sonnblick direkt vergleichbar.
Aber auch dort wo keine Lawinen hinkommen, lagen Anfang Juli noch 1-3m Schnee.
Eine Abschätzung liefert für den November und Dezember 2019 rund 10m Neuschnee für den Eiskargletscher. Im Hoch- und Spätwinter kamen dann nur mehr 2-3m dazu, also fast nichts mehr.

lg Gerhard
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Helmut Graz
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Donnerstag 23. Juli 2020, 08:04

Gerhard-Villach hat geschrieben:
Mittwoch 22. Juli 2020, 07:56
SteHo hat geschrieben:
Montag 13. Juli 2020, 10:52
Gerhard-Villach hat geschrieben:
Samstag 4. Juli 2020, 06:59
Helmut Graz hat geschrieben:
Freitag 3. Juli 2020, 17:13
Unglaublich mehr als 12m, da sieht man erst was da oben an Niederschlag fallen kann, wieviel Schnee muss es da erst in früheren kälteren Zeiten gegeben haben. Danke für den tollen Bericht. *bravo*
Lieber Helmut!

Früher gab es nicht wirklich mehr Schnee. Nur die Temperaturen waren halt um 2 Grad tiefer!
Der Mai war in den 1970er Jahren im Mittel noch kein Schmelzmonat und im Sommer gab es nicht mehrere Hitzewellen.
Das machte den Unterschied.
Schneemassen, wie im heurigen Winter, gab es in früheren Jahrzehnten nicht häufiger.
Einzig zwischen den 1890er Jahren und etwa 1920 gab es gehäuft Winter mit wirklich sehr viel Schnee (damals auch bis ins Tal), Diese schneereichen Winter und auch kühlen Sommer führten zu einem deutlichen Gletschervorstoß bis 1920.

lg Gerhard
Danke für den wie jedes Jahr spektakulären Bericht!

Wie viel von den 12 m Schnee sind denn dort heuer gefallen und wie viele sind Firn vom letzten Jahr? Zudem deutet die Kessellage dort ja auch daraufhin dass dort einiges an Schnee nicht in-situ vom Himmel fällt sondern von oberhalb mittels Verwehungen oder Lawinen dort hintransportiert wird oder? Also wirklich vergleichen kann man die 3m vom Sonnblick und die 12 m dort sehr ws nicht. Aber das ist bei Schneemessungen im Hochgebirge sowieso meistens der Fall.

Ich war selbst schon am Sonnblick bei den Massenbilanzmessungen dabei, und auch dort hat man eine enorme Variabilität. Von 1m Akkumulation wo der Wind den Schnee verfrachtet, bis zu 7-8m hatten wir damals glaub ich alles dabei, und wir sind nicht sehr nahe zu den typischen Lawinenbahnen hingegangen.

jedenfalls danke dass du jedes Jahr diesen Bericht hier veröffentlichst, ich finde ihn großartig!
Die 12m sind natürlich durch Lawinen verursacht und dementsprechend nicht mit der Messung am Sonnblick direkt vergleichbar.
Aber auch dort wo keine Lawinen hinkommen, lagen Anfang Juli noch 1-3m Schnee.
Eine Abschätzung liefert für den November und Dezember 2019 rund 10m Neuschnee für den Eiskargletscher. Im Hoch- und Spätwinter kamen dann nur mehr 2-3m dazu, also fast nichts mehr.

lg Gerhard
Danke für die Erklärungen, für mich sind Berichte zu diesem Thema äußerst interessant. *top*
lg Helmut Kalsdorf b. Graz
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