22.06.2019 Die Rückseitenjagd eines massiven MCS

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jfk
Beiträge: 7019
Registriert: Samstag 30. Juni 2012, 21:15
Wohnort: Pernegg an der Mur

Sonntag 23. Juni 2019, 21:33

Der Vorbei- bzw. Durchzug eines Höhentiefkerns im Südosten unseres Landes ließ die Fühler aller Wetter- und Gewitterbegeisterten ausfahren: Eine hoch interessante und mit sehr labilen, explosiven Luftmassen gefüllte Wetterlage stellte sich ein:

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Georg Pistotnik und das ESTOFEX-Team entschieden sich für ein Level 2 für den Südosten Österreichs und sogar für ein Level 3 für Nord-Italien und Kroatien:

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Die große Frage war also nicht ob, sondern wo und wann sich extreme Wettererscheinungen ausbilden werden. Bereits am Vormittag (ab ca. 8 Uhr) bildeten sich erste gewittrige Schauer als Vorboten in der südlichen Steiermark:

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Von diesen durfte man sich aber nicht ablenken lassen, die Aufmerksamkeit galt neuen Entwicklungen bei Ljubljana (LJ), alles jedoch noch sehr verclustert und zeitlich sehr früh:

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Kurz vor 13 Uhr bildete sich zwischen Ljubljana und Novo Mesto (NM) eine sehr starke Zelle am Südrand des Clusters. Nachdem wir dies am Radar entdeckten, waren zwei Sachen klar: Die Südsteiermark wird von starken Gewittern verschont bleiben und die nach Osten ausscherenden Superzellen werden das von Georg mit Level 3 abgedeckte Gebiet von Kroatien treffen, aber nicht gegen 17 Uhr, sondern bereits deutlich früher!
Wir trafen uns um 14:30 Uhr bei Feldkirchen, mit dabei waren Papa Harald als Fahrer, Thomas, Lukas, Georg und ich. Wir berieten uns kurz, und versuchten das Unmögliche: Die Superzelle in Kroatien abzufangen:

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Was unseren Plan erschwerte, war, dass bereits südlich von Graz Starkregen einsetzte (bereits ab 14 Uhr gab’s einige Blitzschläge). Kurz vor dem Grenzübergang Spielfeld gab’s eine kurze Auflockerung, man sah aber bereits die nächste starke Zelle:

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Kurz vor Maribor nochmals ein besser Blick, bereits auf die nachfolgende Zelle:

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Weiter ging’s auf der A5 Richtung Osten. Was dann passierte, war etwas ganz Neues: Der Regen wurde immer stärker, Wind kam aus verschiedenen Richtungen, die Sicht war bei null. Downburst und Flash Flood wie im Lehrbuch. Doch warum der Wind aus unterschiedlichsten Richtungen? Die Antwort lieferte das Radar:

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Die Mitte des Tiefdrucksystems, also das Auge, lag genau über uns. Der Starkregen war enorm, es flogen auch kleine Äste und andere Gegenstände auf der Autobahn herum:



Gegen 16 Uhr schafften wir es aus dem heftigsten Bereich hinaus, es gab eine kurze Auflockerungsphase, man sah dabei auf Zellen in Kroatien:

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Unser Plan, irgendwie die Vorderseite zu erreichen, war natürlich längst verworfen. Daher ging’s weiter über Lendava und Pince nach Ungarn und dann über die Autobahn nach Kroatien. Bei Cakovec bogen wir wieder ab und fuhren in eben jene Stadt, um etwas zu essen und eventuelle Schäden der starken Zelle zu dokumentieren. Es wurden einige (größere) Äste abgerissen:

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Das Chasing-Team auf der Suche nach Schäden :D

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Weitere Schäden in Cakovec:

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Auf der Rückfahrt über Ormoz, Ptuj und Maribor gab es noch eine schöne Lichtstimmung:

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Alles in Allem ein sehr spannender Chasing-Tag, leider haben wir die Vorderseite nie erreicht (dafür hätten wir bereits am Vormittag aufbrechen und uns im Raum Zagreb aufstellen müssen). Dort gab es heftige Superzellen, Papa Harald wird noch weitere Bilder und Links dranhängen. Ich hoffe der Bericht gefällt trotz es Rückseiten-Chasings.
Liebe Grüße, Johannes,
Pernegg an der Mur (Bez. Bruck-Mürzzschlag (ca. 10 km südlich von Bruck an der Mur))
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ThomasPf
Beiträge: 8117
Registriert: Mittwoch 27. März 2013, 15:50
Wohnort: Hart bei Graz/ Ragnitztal

Montag 24. Juni 2019, 00:15

Danke für den schönen Bericht! *top* *super*

Obwohl sich die Vorderseite nicht mehr ausgegangen ist, war es ein spannendes Chasing. Man lernt jedesmal etwas dazu. ;)
Liebe Grüße,
Thomas.


Hart bei Graz, Ragnitztal 47°4'25''N, 15°31'1''E, 418m ü.NN, bzw.
Graz Innere Stadt 47°04'12''N, 15°26'26''E, 353m ü.NN


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hhkes
Beiträge: 14596
Registriert: Montag 10. Januar 2011, 19:25
Wohnort: Feldkirchen bei Graz

Montag 24. Juni 2019, 00:39

Hallo:
Danke für den Bericht, Johannes *bravo* *top*
Hier noch ein paar weitere Details:
Die erste Zelle, die größeren Schaden anrichtete, hatte sich bereits gegen 13:00 Uhr im Raum Celje - Velenje gebildet:

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Dabei kam es zu starkem Hagelschlag (Größe der Hagelschloßen dzt. unbekannt) mit Belagsbildung (Quelle: Monika Ramšak):

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Etwa einen Stunde später bildete sich eine massive Zelle über der Zagorje (u.a. war auch das Sotlatal betroffen):

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Hagel mit einer Kormgröße von bis zu knapp 3 cm z.B. im Raum Kumrovec (Quelle: https://www.zagorje.com)

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Wir waren ja, wie Johannes bereits oben beschrieben hat, im Downburst auf der A5 "gefangen". Dabei befanden wir uns im Zentrum des in Europa nur sehr selten beobachteten Phänomens eines Mesoscale Convective Vortex (MCV, ein "mesolow" innerhalb eines MCS :!: :!: Sehr schön auf der NS-Radar-Animation zu erkennen:

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Die wohl heftigste Entwicklung des Tages fand aber praktisch zur gleichen Zeit südöstlich von Zagreb statt und zog in weitere Folge nach SE über Sisak hinweg:

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Mario Sekulić hat das Eintreffen der SZ von Sisak aus festgehalten (diese Zelle produzierte übrigens Hagel bis zu einer Korngröße von knapp 4 cm):

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War ein wirklich eindrucksvolles Chasing und - wie schon Thomas oben festgestellt hat - man lernt nie aus ;)
LG, Harald
FG, Standort Feldkirchen bei Graz
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Feli
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Registriert: Freitag 20. März 2009, 08:46
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Sonntag 28. Juli 2019, 15:01

den hab ich irgendwie völlig übersehn bisher!
da hattet ihr ja wieder mal chasingglück!
danke auch für den bericht!
liebe grüsse
(die) Feli
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Aschach/Steyr/OÖ 435m, Wetterstation: Davis Vant-Vue
I took a heavenly ride through our silence, I knew the waiting had begun. And headed straight into the shining sun -D. Gilmore
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