07.07.2019 Superzellen und massive Böenfront in Kroatien + Schadensdoku

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jfk
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Registriert: Samstag 30. Juni 2012, 21:15
Wohnort: Pernegg an der Mur

Montag 8. Juli 2019, 13:36

Wenn Chaser aus der Steiermark heuer stärkere Gewitter und Superzellen verfolgen wollen, müssen sie weitere Wege auf sich nehmen. Auch am gestrigen Sonntag waren die energiereichsten Luftmassen etwas südlich der österreichischen Grenze zu finden:

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Das ESTOFEX-Team entschied sich für den höchsten Warnlevel 3 für die östlichen Teile Nord-Italiens, für Slowenien und Kroatien:

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Wir (Georg, Harald, Thomas, ein Freund von mir als Gast und ich) trafen uns um 11 Uhr in Feldkirchen bei Graz und berieten uns kurz. Doch die Lage war recht eindeutig: Die stärksten Gewitter waren (neben Nord-Italien) in Kroatien zu erwarten, der erste Schauer war bereits westlich von Novo Mesto (NM) entstanden:

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Daher ging’s gleich los Richtung Zagreb. Leider gab es beim Grenzübergang Gruškovje Stau, der Zeitverlust betrug eine knappe Stunde und warf uns etwas zurück. Trotzdem schafften wir es, die Vorderseite zwischen Krapina und Zagreb zu erreichen. Die Lage hatte sich in der Zwischenzeit aber etwas verändert, es gab nicht eine oder maximal zwei präfrontale Superzellen, sondern einen Cluster mehrerer starker Zellen, der nach Osten zog. Den nördlichsten Teil sahen wir zuerst, jedoch recht strukturlos:

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In Zagreb angekommen hielten wir kurz und dokumentierten die Lage. Leider waren wir genau zwischen den beiden Zellen im Schirmregen gefangen, deshalb sahen wir auch keine Strukturen. Da die südlichere Zelle normalerweise die stärkere ist, beschlossen wir, Richtung Südosten, also nach Sisak (SI), weiterzufahren:

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Hier noch ein Bild aus Zagreb mit der Blickrichtung Südost:

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Wir stoppten auf halbem Weg zwischen Zagreb und Lekenik und waren auf der nordöstlichen Seite der Zelle. Da die Zelle recht schnell nach SE zog, war ein Erreichen der Vorderseite nicht mehr möglich. Dennoch war die Aufwinddynamik über uns beachtlich:

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Wir fuhren der Superzelle noch etwas hinterher nach Sisak. Kaum waren wir etwas zu nahe, begann es zu hageln (max. 2 cm):

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Die Zelle verließ Kroatien Richtung SE samt Hagelstreifen (ca. 15:35 Uhr):

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Danach lockerte es recht schnell wieder auf, der Wind drehte auf Süd, und es wurde wieder feucht und warm. Wir suchten uns einen schönen Aussichtspunkt am geschlossenen Aerodrom Sisak (etwas östlich von Sisak) und warteten auf die aus Westen aufziehende Front:

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Nach ungefähr 45 Minuten sah man erste Strukturen im Westen:

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Auch tiefere und nähere Wolken im NW zeigten die Dynamik: Während die Wolkenoberseite nach Osten, also in Strömungsrichtung, gedrückt wurde, zog die Wolkenunterseite retrograd nach Westen:

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Noch war Zeit für Gruppenfotos und Ähnliches. Doch schon bald braute sich vor uns Bedrohliches zusammen…

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Direkt vor uns entstand eine Superzelle, schön am slowenischen Radar erkennbar:

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Der CB war enorm, der Aufwindbereich darunter sehr dynamisch:

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Das Teil näherte sich mit einer immensen Geschwindigkeit:

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Auch der nördliche Teil verstärkte sich:

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Sehr fotogen die beiden Teile:

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Der Abstand wurde immer geringer, die Squallline formierte sich:

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Die Zelle hatte unglaubliches Tempo drauf. Auch konnten wir immer wieder Funnels beobachten:

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Die Zelle verließ uns danach blitzartig Richtung Osten. Auf der Rückfahrt sahen wir noch schöne Mammaten:

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Nach Hause fuhren wieder über Zagreb, dann aber über die A2 Richtung Ljubljana und bei Brežice ab, um über das slowenische Bergland entlang der slowenisch-kroatischen Grenze Staus auf Autobahnen zu vermeiden. In den Tälern gab es teils enorme Schäden durch die durchgezogene Gewitterfront.

Brand, wahrscheinlich durch Blitzschlag, bei Imeno:

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Überflutete Felder:

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Umgestürzte Bäume:

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Abgedeckte Häuser:

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Baum in Strom- bzw. Telefonleitung:

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Massive Hagelansammlungen mehrere Stunden nach Durchzug der Gewitterfront:

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Zusammenfassend lässt sich sagen, dass wir an den stärksten Zellen des Tages dran waren, leider bei der ersten Superzelle die Vorderseite aber nicht mehr erreichen konnten. Die Schäden in Slowenien sind leider verheerend…
Liebe Grüße, Johannes,
Pernegg an der Mur (Bez. Bruck-Mürzzschlag (ca. 10 km südlich von Bruck an der Mur))
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Feli
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Montag 8. Juli 2019, 17:43

wenn einer eine reise tut.... dann kann er was erzählen!
ihr wart genau richtig, wenn auch weit weg vom üblichen chasinggebiet. hat sich aber mehr als ausgezahlt.
die bilder sind beeindruckend!
vielen dank für euren aufwand!
liebe grüsse
(die) Feli
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Aschach/Steyr/OÖ 435m, Wetterstation: Davis Vant-Vue
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hhkes
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Wohnort: Feldkirchen bei Graz

Montag 8. Juli 2019, 20:06

Danke, Johannes für den ausführlichen, ausgezeichneten Bericht *bravo* *top*
"Unsere" erste SZ bildete sich am S-Rand des Gewitterclusters südlich von Sisak. In dieser Gegend gibt es "endlose" Ortsdurchfahrten und daher waren wir plötzlich nicht mehr an der Vorderseite. Aber es war auch gut so - etwas weiter südöstlich (Jasenovac) wurde immerhin 3 cm-Hagel gemeldet :!:
Für den Durchgang der Böenfront sind wir jedenfalls optimal gestanden :)
Was aufgrund der zahleichen Ereignisse des Tages etwas untergegangen ist: Im Raum Ptuj war im Rahmen der Böenfront eine SZ eingelagert und da gab's dann massive Schäden, nicht nur durch Wind (v.a. abgetragene und schwer beschädigte Dächer), sondern auch durch Hagel (in der Landwirtschaft):
Fotoquellen: http://www.arso.gov.si - https://sobotainfo.com - https://www.prlekija-on.net - http://www.neurje-si

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LG, Harald
FG, Standort Feldkirchen bei Graz
CM, Standort Campus MedUni Graz
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wetterfan18
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Montag 8. Juli 2019, 21:07

Sehr toller Bericht- wunderbar dokumentiert *bravo*
Liebe Grüße, Valerian ( Übelbach-Markt, 580m ü.A.)
SCHNEEFROSCH 2019
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ThomasPf
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Montag 8. Juli 2019, 23:31

Super Bericht! *top* *super* *bravo*

Das war für mich wieder eine neue Chasingerfahrung.

Ich werde noch ein paar Bilder in den nächsten Tagen "nachliefern".

Außerdem habe ich in der INCA-Analyse nachgesehen. Es gab 3 Niederschlagssschwerpunkte gegeben. Am Pohorje, bei der Superzelle bei Ptuj und rund um Rogaska Slatina. In den genannten Bereichen ist lt. INCA-Analyse über 100 mm gefallen, das Maximum dürfte so bei 160 mm gewesen. *huch* (Ich weiß leider nicht, wie genau diese Information außerhalb des österreichischen Staatgebiets ist, mir erscheint das aber an Hand der Überflutungen, die wir gesehen haben, zumindest "größenordnungsmäßig" plausibel). Das Savetal und die Regionen südlich davon, werden nicht mehr durch die INCA-Analysekarte abgedeckt.
Liebe Grüße,
Thomas.


Hart bei Graz, Ragnitztal 47°4'25''N, 15°31'1''E, 418m ü.NN, bzw.
Graz Innere Stadt 47°04'12''N, 15°26'26''E, 353m ü.NN


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jfk
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Registriert: Samstag 30. Juni 2012, 21:15
Wohnort: Pernegg an der Mur

Dienstag 9. Juli 2019, 19:15

Danke für die Kommentare!

Hier noch zwei Videos vom Chasing:



Liebe Grüße, Johannes,
Pernegg an der Mur (Bez. Bruck-Mürzzschlag (ca. 10 km südlich von Bruck an der Mur))
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Gerald
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Registriert: Mittwoch 25. März 2009, 14:57
Wohnort: 8553 Soboth

Freitag 12. Juli 2019, 18:11

Boa, hobts wieda an bratn Weg zruckglegt - aba hot si auszoit... Perfekt dokumentiert *bravo*
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Lannach
nadjap
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Wohnort: Klosterneuburg-Scheiblingstein, Wienerwald, 489m

Montag 15. Juli 2019, 15:20

Unglaublich - toller Bericht!
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Bachfan
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Registriert: Dienstag 4. März 2014, 15:43
Wohnort: 1130 Wien
Kontaktdaten:

Dienstag 16. Juli 2019, 16:16

Erst jetzt angesehen. Wirklich sehr interessanter Bericht!
Liebe Grüße :)

1130-Wien auf 210 m Seehöhe
https://www.gabrielstrommer.com/
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