Der Erdbebenschwarm vom August 2011 (Westböhmen, CZ)
Seit dem 23. August 2011 erschüttert eine Erdbebenserie die Region Vogtland in Westböhmen. Der Österreichische Erdbebendienst beobachtete bisher mehr als 300 Ereignisse und registrierte mit dem eigenen seismischen Netzwerk die 55 stärksten Beben welche Magnituden nach Richter zwischen 1.9 und 4.0 aufwiesen. Das nähergelegene westböhmische seismischen Netzwerk WEBNETB berichtete sogar von mehr als 10.000 Ereignissen. Bisher wurden acht Beben mit einer Magnitude größer als 3.0 registriert und mehrere hundert mit einer Magnitude größer als 2.0. Am Freitag den 26. August wurde mit mehr als 200 Beben pro Tag (Magnitude > 1.0) die größte Schwarmaktivität beobachtet.
Die Registrierung des Erdbebenschwarms in der Nacht vom 25. August 2011 an der Station Molln in Oberösterreich, Österreichischer Erdbebendienst, ZAMG
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Das Epizentrum der Beben (50.2° Nord, 12.5° Ost) liegt nahe der Gemeinde Nový Kostel im südlichen Teil des Elstergebirges. Die Entfernung beträgt 25 km von Karlsbad, 80 km von Pilsen, und 250 km von Linz.
Was sind die Ursachen von Erdbebenschwärmen?
Erdbebenschwärme treten häufig in Regionen mit Vulkanen auf. Als Erklärung wird derzeit das Vorhandensein von kleinen oder stark unterbrochenen tektonischen Störungen vertreten. Im Fall der Entspannung der Erdkruste ist die zu erwartende Energie daher relativ gering und es treten viele kleine Ereignisse auf um den Gebirgsdruck abzubauen. Die Aktivierung von Erdbebenschwärmen in vulkanischen Regionen wird oft als Hinweis für mögliche Magmaflussaktivitäten gesehen. Weitere Ursachen sind Mikroerdbeben die durch Einleitung von Gasen oder Flüssigkeiten bei Tiefenbohrungen (Erdölförderung, Geothermie) entstehen können.
Befindet sich das Schwarmbeben in einer Vulkanregion?
Der Erdbebenschwarm befindet sich in der Übergangszone zwischen dem Fichtelgebirge und dem Erzgebirge. Letzteres entstand durch Hebung entlang der Erzgebirge-Störung und zeigt einen Höhenunterschied von ca. 600 m zu dem naheliegenden Eger-Graben. Die wichtigsten tektonischen Einheiten bilden, als Teil des Böhmischen Massivs, der Ohře-Graben, das Cheb Becken sowie Gebiete mit Eruptivgestein. Die Beobachtung von Austrittspunkten von Kohlenstoffdioxid, Mineralquellen und die hohe Seismizität in den letzten Jahren weisen auf eine vulkanische Aktivität im tiefen Untergrund hin.
Wie entstehen die Schwarmbeben im Vogtland?
Die Erdbebenschwärme aus dem Vogtland werden seit 1897 registriert und weisen eine mittlere Periodizität von 6 Jahren auf. Berichte über die allerersten Erdbebenschwärme in dieser Gegend stammen bereits aus dem Jahr 1552. Typischerweise zeigen die Erdbeben nur kleine Magnitudenunterschiede zwischen dem Hauptbeben und den nachfolgenden stärksten Beben. Der erdbebenaktive Bereich ist durch Herdtiefen zwischen 7 und 10 km charakterisiert, was einer durchschnittlichen Herdtiefe in dieser Region entspricht. In Österreich finden die meisten Erdbeben ebenfalls in dieser Tiefe statt.
Die Lage der Epizentren fällt in die Verlängerung der bekannten, nach NNW-SSO ausgerichteten, Marienbad-Störung. Es wird vermutet, dass die südlich der Epizentren gelegene Aufspreizung der Marienbad-Störung in Verbindung mit N-S verlaufenden kleineren Störungen sich in den erdbebenaktiven Bereich fortsetzen. Hinweise auf eine aktive Tektonik wurden in der nördlichen Region des Cheb Beckens durch Krustenbewegungen nachgewiesen. Das dadurch entstehende Spannungsfeld könnte das Entströmen von Gas durch die Aufweitung der Marienbad-Störung erklären. Detaillierte seismische Auswertungen deuten darauf hin, dass die Erdbebenschwärme durch eine Kombination aus Seiten- und Abschiebungen entlang der Marienbad-Störung entstehen. Weitere seismologische Daten in Verbindung mit dem beobachteten flächenhaften Austreten von Flüssigkeiten und Gasen aus dem oberen Erdmantel deuten auf tiefreichende Prozesse (ca. 30 km) hin, die von unten Druck auf die Erdkruste ausüben. Dies wird häufig bei vulkanisch aktiven Gebieten aufgrund der Erwärmung von Magma beschrieben.
Geht eine Gefahr von dem Erdbebenschwarm aus?
Die Erdbeben sind in Regel zu schwach um Gebäudeschäden anzurichten, jedoch dauert die Aktivität oft mehrere Wochen an, und einige der Erdbeben sind auch stark genug im Vogtland verspürt zu werden. Messen kann man aber die Aktivität über weite Bereiche, da die heutigen Messgeräte sehr genau die Bodenbewegungen aufzeichnen können. So konnte eine Vielzahl der Ereignisse auch noch am Conrad Observatorium in Niederösterreich aufgezeichnet werden. Spürbar sind diese Erdbeben aber auf österreichischem Staatsgebiet nicht mehr. Dafür sind die Magnituden der Beben einfach zu gering.
Besteht ein Zusammenhang mit der weltweiten Erdbebenaktivität?
Es besteht kein Zusammenhang. Die jüngsten stärkeren Erdbeben im Pazifik und an der Grenze Peru/Brasilien sind viel zu weit entfernt, um diese Schwarmbeben auszulösen. Es handelt sich also um eine ganz lokale Anomalie in der unteren Erdkruste im Vogtland, die aber international die Erdbebendienste beschäftigt.
Verfasser: Dipl.-Ing. Helmut Hausmann, Univ.-Doz.Dr. Wolfgang Lenhardt