von 16.-20. August fand ein Workshop zum Thema "Workshop on physics and dynamics of convective storms and their manifestation in satellite imagery" in Prag statt - das Tschechische Meteo-Institut CHMI veranstaltete diesen Workshop mit zahlreichen spannenden Vorträgen; es war eine tolle Sache, viel gelernt und neue KollegInnen aus den USA, CZE, SVK, POL und HUN kennengelernt.
am 15. August 2010 reisten wir per Bahn nach Prag, am Abend kamen wir an und wurden dann 2h später dementsprechend passend zum Workshop begrüßt;
1.) Superzelle in Prag - eine Analyse
Großwetterlage:
Über Westeuropa befand sich ein markantes Tiefdrucksystem, Österreich selbst lag an dessen Vorderseite in einer teils föhnigen Südströmung. Nördlich der Alpen (Hier in etwa Südwestbayern) bildete sich ein Lee-Tief, welches in der Folge nach Norden wanderte.
um 12UTC war dieses kleine Tief bereits im Raum Prag unterwegs, hier und vor allem weiter östlich lagerte hochgradig labile und energiereiche Luft - schon bald gab es in Ungarn, Slowakei und Polen kräftige Entwicklungen, rund um Prag blieb es bis dahin noch ruhig. Am Abend drehte die Bodenströmung in Prag auf eher West, somit floss in Bodennähe etwas trockenere Luft ein, in der Höhe herrschten aber nach wie vor sehr labile Bedingungen. Die trockenere Luft manifestierte sich am Abend in einer Verbesserung der Sichtweite, so konnten wir unter anderem relativ weit entfernte Berge (Erzgebirge?) gut ausmachen.
Zahlreiche Castellani am Himmel zeigten jedoch, dass hier noch was in der Luft hing, wenig später um etwa 19:00 Lokalzeit bildeten sich daraus einige Congesti und Cbs in sicherer Entfernung, während in Prag die Sonne bis zum Schluss scheinte.
Die Radiosonde von Prag-Libus: 12UTC:
Die dünne schwarze Hebungskurve zeigte schon mal Potential an, nicht dramatisch, aber CAPE war vorhanden. Am Boden gabs noch eher Wind aus Süd-bis Südost, Taupunkte um 18°C rundeten das ganze ab. Dazu herrschte ein schwacher Deckel, dennoch entwickelte sich am Nachmittag vorerst nur wenig. Auffallend jedoch die Geschwindigkeitsscherung: in 500hPa herrschte Südwind mit 45-50 Knoten, was durchaus beachtlich ist.
Radiosonde um 18UTC:
Hier seht ihr jetzt am Boden schwachen Westwind, bei genauer Betrachtung ging auch der Taupunkt (linke schwarze Kurve) unten etwas zurück. Dennoch ist hier die Auslösetemperatur erreicht worden, die Sonne konnte ungehindert einstrahlen und die Abtrocknung unten war quasi wirkungslos - im Gegenteil, birgt dies natürlich ein erhöhtes Downburstpotential.
Die dünne Hebungskurve hatte praktisch keinen Deckel (CIN), um diese Zeit schossen ja auch schon rund um Prag zahlreiche hochreichende Cumuluswolken mit nachfolgender Vereisung hoch - über Prag selbst wars noch ruhig;
hier ein Foto von mir vom Hotel aus Richtung Norden gesehen - etwa 19:00:
und das ist fatal, wenn da noch so gewaltige Scherung mit im Spiel ist, 18z um 500hPa mit 50Knoten!
weiters ist ja noch besagte Höhentief wirksam, in deren Höhenströmung einige Hebungsfelder eingelagert sind
so auch eines hier:
ein PVA-Feld zog hier von Südwesten auf Prag zu und überquerte selbige am Abend/1. Nachthälfte, zudem gelangte Prag allmählich in den linken Auszugsbereich der Jetachse (Left-Exit); dies alles spricht (überwiegend) für Hebung
Betrachten wir mal ein Satellitenbild von 18UTC: RGB-Airmass;
die roten Punkterl deuten auf eine orangefarbene Zunge hin, stratosph. Luft gleich nördlich der Jetachse, diese reichte schon bis Tschechien - der Pfeil deutet auf die sich schon vor Prag befindliche Superzelle - die orange "Zunge" begünstigt hochreichende Konvektion
Zu diesem Zeitpunkt gabs auf den besseren Tschechischen Radars kurz vor Prag bereits ein Hook-Echo...
2.) Der Durchgang der Zelle:
um ca. 20:00 schlossen sich dann die letzten Lücken über Prag relativ rasch, bei der noch tiefstehenden Sonne, die gerade noch durchscheinte, war dies ein atemberaubendes Schauspiel mit wunderschönen Farbtönen (Orange) - von unserem Standort aus im Südosten der Stadt auf einem Hügel (Restaurantterrase) ein prachtvoller Anblick - leider hatte ich die Kamera im nahe gelegenen Hotel gelassen
; es fing zu tröpfeln an und wir übersiedelten in das mit hohem Holzdach ausgestattete Lokal, im Südwesten fings dann rasch zu blitzen an und dann gings schnell...
gewaltiger Hagel schoss herunter und machte einen Höllenlärm, dazu deftige Blitzschläge, böiger Wind, aber der war net so schlimm
nachdem das ganze vorüber war, trauten wir uns dann ins Freie, ich holte rashc meine Cam vom hotel und filmte bzw. schoss noch Fotos - leider wars dann schon recht dunkel, die Blitzshow der abziehenden Superzelle war aber einmalig;
hier noch die Blitzortung dazu:
dahinter schob sich eine zweite Linie, welche 2h später für weitere deftige Blitze und Starkregen sorgte - Hagel war aber keiner mehr dabei
Fotos vom Hagel danach:
Die meisten bewegten sich so bei 3 oder 4cm, einige warn aber auch 5cm, fast alle mit dicker glasiger Schicht - unterschiedliche Feuchteverhältnisse
Die Superzelle in Prag von OÖ (Kirchschlag) aus zu sehen, teils im Webcam-Loop auch mit Overshooting-Tops:
ESWD-Eintrag:
in den genannten Bezirken hielten wir uns auf(welcher genau weiß i net, aber de U-Stationen warn glei ums Eck)
In Prag leider auch 6 Verletzte und einiges an Sachschaden
3.) Videos:
Die Ankunft der Superzelle im Zeitraffer (Martin Setvak, CHMI), sehr sehenswert!
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...und der Abzug der Superzelle als Blitzfeuerwerk (von mir selbst):
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andere Youtube-Videos auf die schnelle gefunden:
Kampfhagel:
http://www.youtube.com/watch?v=TnRWhIpS ... re=related" onclick="window.open(this.href);return false;
http://www.youtube.com/watch?v=bppHf1ML ... re=related" onclick="window.open(this.href);return false;
das video zeigt anfangs die abendliche endzeitstimmung in Prag mit der untergehenden Sonne und den schon sehr aggressiven Quellungen, vor allem um Minute 2:00 herum z.b. sieht man schön die irrsinnige Energie in der Luft und man kann fühlen, dass da was ordentliches in der Luft hängt.
und hier nocheinmal ein Video mit zu Beginn Radar und Blitzortung:
http://www.youtube.com/watch?v=ZTVt9ekYG4k" onclick="window.open(this.href);return false;
geniale Blitzshow nocheinmal:
http://www.youtube.com/watch?v=WdzAneCR ... re=related" onclick="window.open(this.href);return false;
4.) Fazit:
mehrere für Schwergewitter brauchbare Zutaten passten zusammen (Scherung, Hebung, Labilität) und es war Zufall, dass ich da am richtigen Ort war. Ein wirkungsvoller Auftakt zum passenden Workshop. In den kommenden Tagen wurde dann dieses Ereignis im Workshop nocheinmal aufgearbeitet.
lg chris
