Im Vorfeld dieses massiven Unwetter-Outbreaks wurde viel über die Lage diskutiert. Von Modelllauf zu Modelllauf änderten sich die Meinungen von „Mega-Lage“ über „Riesen-Flop“ wieder zu „Lage des Jahres“. Die Ausgangsituation war auf alle Fälle brisant: Eine kräftige Höhenströmung, sehr hohe Energiewerte (CAPE 1.500 - 3.000 J/kg) und eine enorme bodennahe Windscherung (0-6 km ca. 25 m/s, 0-3 km ca. 20 m/s und 0-1 km ca. 15 m/s (lokal durch Hügel verstärkt auch bis zu 20 m/s). Dazu kamen Taupunktwerte verbreitet zwischen 18-20°C im Risikogebiet. Doch ein massiver Deckel (CIN) bremste die Lage und sorgte für Zweifel. Zusätzlich dann noch verminderte Einstrahlung am Nachmittag durch ausziehende Eisschirme aus Italien. Die Lage war eine klassische „loaded-gun-Lage“.
Die Unwetterexperten von ESTOFEX riefen mit dem LVL3 die höchste Warnstufe aus:

Quelle: ESTOFEX (https://www.estofex.org/)A level 3 was issued across E Austria and W Hungary mainly for (very) large hail, damaging wind gusts and tornadoes.
In case a supercell tracks through such environment, strong tornado will be possible.
Auch im Skywarn-Forecast wurde das höchste Warnlevel (violett, 4/4) ausgerufen:

Quelle: Skywarn Austria
Das Chasingteam SE war bereit. Ich traf mich mit Harald (hhkes) und Thomas (Pf) gegen 16 Uhr in Feldkirchen bei Graz. Dabei beobachteten wir die Lage: Die Zellen aus ITA schwächelten, je weiter diese nach NE zogen. Die Eisschirme breiteten sich aus. Entwicklungen im slowenischen Bergland (bei Ljubljana und Celje) waren nicht vorhergesagt und machten auch uns stutzig – wird es doch Slowenien und eine Unwetterlage deutlich weiter südlich?

Quelle: Radarska Slika Padavin (https://meteo.arso.gov.si/met/sl/weather/observ/radar/)
Aber wir blieben ruhig und warteten weiter ab. Im N und NE sahen wir erste Cb im Grazer Bergland. Nachdem sich sonst nichts tat und die Zellen in SLO wieder schwächelten, entschieden wir uns gegen 17 Uhr in Richtung Osten aufzubrechen. Das Radar unterstützte die Entscheidung:

Quelle: Radarska Slika Padavin (https://meteo.arso.gov.si/met/sl/weather/observ/radar/)
Die Zellen entwickelten sich weiter. Gegen 17:30 Uhr zeigten sich starke Radarechos einer ausscherenden Superzelle im Osten:

Quelle: Kachelmannwetter.at (https://kachelmannwetter.com/at/stormtr ... 1530z.html)
Gegen 17:45 Uhr erreichten wir Bad Waltersdorf und blickten von Süden auf den imposanten Aufwindbereich der Superzelle (vordere Zelle):


Quelle: Kachelmannwetter.at (https://kachelmannwetter.com/at/stormtr ... 1550z.html)
Da die Zelle rasch nach Osten zog, verlagerten wir unseren Standort etwas in Richtung Burgau. Die Zelle verstärkte sich inzwischen weiter, die Wallcloud formierte sich:

Gegen 18 Uhr erreichten wir Burgau. Dort hatten wir einen guten Blick auf die erste Superzelle:

Die Sicht war wegen der hohen Feuchtigkeit und des Saharastaubes stark eingeschränkt. Die Zelle verzog sich rasch nach Osten:

Die Radarsignaturen waren normen. Die Zellen scherten sogar etwas Richtung SE aus:

Quelle: Kachelmannwetter.at (https://kachelmannwetter.com/at/stormtr ... 1610z.html)
Aufgrund der starken Überflutungen der letzten Tage und steigenden Pegel aufgrund der Unwetter im Norden wurde Zivilschutzalarm für das Mittel- und Südburgenland ausgelöst. Leider waren wir in Burgau beinahe gefangen – alle Straßen nach Norden und Osten waren gesperrt, auch unsere Zufahrt von Bad Waltersdorf kommend wurde behördlich abgeriegelt. An ein weiteres Verfolgen der Zelle nach Osten war also nicht zu denken. Als wir schon dachten, dass das Chasing zu Ende sei, sahen wir aus Westen die zweite Superzelle nachkommen. Diese war etwas weiter südlich als die erste Superzelle und erschien mit unfassbaren Strukturen:

Die Wallcloud der Superzelle lag fast am Boden. Was sich nun vor unseren Augen entwickelte, war ein absolutes Highlight meiner mittlerweile 15-jährigen Chasing-Erfahrung. Eine Superzelle wie man sie nur selten bei uns zu sehen bekommt: Die Wallcloud lag fast am Boden, stark rotierend, aufgrund der höheren Feuchtigkeit zum Niederschlag / Downburst abgesenkt. Darüber eine Shelfcloud, durch die die Rotation sichtbar gemacht wird. Und darüber der Aufwindturm, windschief durch die starke Höhenströmung und Rotation der Zelle:

Alle Wolkenarten einer klassischen Superzelle waren zu sehen – jetzt auch ein Inflow-Tail bzw. eine Tailcloud:

Die gesamte Superzelle:


Bilder, die man eher aus Texas oder Oklahoma kennt, nicht aus Burgau





Danach zerfiel die strukturierte Ordnung etwas, die Zelle verzog sich nach Osten:

Die Fotoserie entstand zwischen 18:08 Uhr (erstes Bild) und 18:20 Uhr (letztes Bild).
Die Radarsignaturen waren wie die Strukturen enorm:

Quelle: Kachelmannwetter.at (https://kachelmannwetter.com/at/stormtr ... 1620z.html)

Quelle: Kachelmannwetter.at (https://kachelmannwetter.com/at/regenra ... 1630z.html)

Quelle: Radarska Slika Padavin (https://meteo.arso.gov.si/met/sl/weather/observ/radar/)
Aufgrund der Straßensperrungen in Burgau in östlicher Richtung entschieden wir uns, das Gebiet großräumig zu umfahren. Wir wählten die Route über Bierbaum an der Safen und Fürstenfeld nach Heiligenkreuz im Lafnitztal (Burgenland). Während wir uns in diesem Bereich befanden, erhielten wir Berichte über die Tornado-Sichtung bei Großpetersdorf. Da die Gewitterzellen bereits zu weit nach Osten gezogen waren, beschlossen wir, unser ursprüngliches Chasing abzubrechen und stattdessen zum Gebiet mit der Tornado-Sichtung zu fahren. Wir setzten unsere Fahrt über Güssing und St. Michael im Burgenland nach Kohfidisch fort. Dort war jedoch die Pinka stark über die Ufer getreten, was zu weiteren Straßensperrungen führte. Wir erkämpften uns schließlich den Weg über Badersdorf und Burg nach Hannersdorf.
Entlang der L244 waren erste Schäden zu sehen. Ich habe auf Basis von Google Maps eine Karte erstellt, die die Schäden grob geografisch darstellt:

Quelle: Google Maps (eigene Bearbeitung; https://www.google.at/maps/@47.2295051, ... ?entry=ttu)
Schadensgebiet 1: Waldstück westlich der L244, Bäume umgeknickt:



Schadensgebiet 2: Waldstück östlich der L244, Bäume umgeknickt:

Schadensgebiet 3: Auf der anderen Seite des Hügels am Ortsende von Hannersdorf. Viele umgeknickte Bäume, auch beschädigte Häuser (einzelne Dachziegel). Besonders beeindruckend: Schnittholz wurde von einem Holzstapel ca. 200-300 m in Zugrichtung der Zelle vom Tornado mitgenommen und verteilt (letzten beiden Bilder):







Wir fuhren dann über Güterwege nach Welgersdorf (die Landesstraße war wegen Überflutung gesperrt; vielen Dank an dieser Stelle an einen netten ortsansässigen Radfahrer, der uns die Schäden in Hannersdorf sowie Güterwege zeigte). Dort wie auch in Großpetersdorf konnten wir keine weiteren Tornado-Schäden feststellen. Einzelne, morsche umgefallene Bäume deuteten eher auf Linienwind / Downburst hin. Leider setzte auch schon abendliche Dunkelheit ein, was die Suche neben den vielen Straßensperren nicht einfacher machte. Deshalb brachen wir gegen 21:30 Uhr ab und machten uns auf den Heimweg.
Anhand der Schäden würde ich den Tornado im Bereich Hannersdorf auf F1 / T3 einstufen.
Papa Harald (hhkes) und Thomas (Pf) werden noch weitere Aufnahmen und Bilder ergänzen. Was für ein Tag, die Vorhersagen haben gestimmt, auch die Tornado-Warnung war korrekt.
Never Stop Chasing.