Seit einigen Tagen bereits hatten wir den Mittwoch im Visier, was ein mögliches Chasing betrifft. Je näher der gestrige Tag kam, desto genauer wurden die Prognosen und die Lage spitzte sich immer weiter zu, vom unwetterreichsten Tag des Jahres war bereits die Rede. Aber alles der Reihe nach:
Nach einem sehr heißen Freibad-Tag am Dienstag gab’s am Abend noch eine spektakuläre Blitzshow zu sehen. Dabei stellten wir uns die Frage, ob im Süden genug Energie erhalten bleiben würde. Nach Durchschau der Vorhersagekarten war am gestrigen Mittwoch aber recht schnell klar, dass sich die Lage sogar noch zuspitzen würde. Aus diesem Grund beschlossen wir unser Chasingteam zum ersten Mal in der Geschichte zu splitten, Team 1 (Papa Harald (@hhkes), Melanie und Thomas (@ThomasPf)) blieb in der Steiermark und Nordslowenien, Team 2 (ein Freund von mir und ich) fuhren nach Kärnten.
Wir brachen um ca. 14:00 Uhr auf und fuhren über die S36 Richtung Judenburg. Auf dem Weg entstand bereits eine erste Zelle (1) zwischen St. Stefan ob Leoben und Knittelfeld und eine zweite ca. bei Unzmarkt (2).
Kurz vor 15:00 Uhr erreichten wir einen Rastplatz bei Zeltweg und beobachteten die Entstehung der ersten Superzelle des Tages. Jene Superzelle, die später in die Weststeiermark einbrechen und weiter Richtung Slowenien ziehen sollte:
Rasch wurde die Mesozyklone sichtbar:
Da es in Zeltweg langsam ungemütlich wurde, ging’s schnell weiter Richtung Süden über den Obdacher Sattel. Dort hielten wir nochmals kurz und beobachteten die vorbeiziehende Superzelle auf dem Weg in die Weststeiermark. Die Zelle muss zu diesem Zeitpunkt schon ordentlichen Hagel produziert haben (ca. 15:30 Uhr):
Obwohl die Zelle zwar Richtung Süden / Südosten ausscherte, wurde sie von der Strömung Richtung Westen gedrückt – daher ließen wir sie abziehen und unserem 1er Team über
Wir legten den Fokus nun auf die westlichste der drei Zellen, die zwischen Stadl und Murau entstanden war und mittlerweile Kurs auf Althofen in Kärnten genommen hatte. Um ca. 17:00 Uhr erreichten wir die Vorderseite zwischen Völkermarkt und Brückl / Mittertrixen. Zwar hatten wir super Sicht auf die Zelle, da sie freistehend am westlichen Rand war, leider war sie aber sehr schnell stark aufwinddominant, wodurch sie sich selbst die Energie raubte:
Da die Zelle etwas näher kam, fuhren wir zurück und hielten etwas westlich von Griffen. Dabei fiel auf, dass der Outflow völlig zum Erliegen kam, anscheinend umgeleitet durch einen Berg, und sich die Zelle an den knapp 30 C erfreute und verstärkte. Schon war sie wieder eine Multizelle mit schön abgegrenztem Aufwindfeld:
Jedoch war auch dieser Zustand nur von kurzer Dauer. Der Outflow setzte ein und die Zelle schwächte sich ab:
Wir verfolgten die Zelle noch ein Stück Richtung SE (Bleiburg), um ca. 18:15 Uhr ließen wir sie aber ziehen, denn sie verlor völlig an Struktur und ging ein:
Danach hieß es die Lage neu zu evaluieren. Nach Abzug der Zellen Richtung SE drehte der Wind recht schnell auf Ost / Südost, die Temperaturen stiegen wieder auf knappe 30 C und im Raum Villach bis Völkermarkt ist es praktisch trocken geblieben. Natürlich fiel unser Augenmerk daher auf die Zellen im Westen. Wir fuhren auf die A2 auf und visierten Klagenfurt an.
Um ca. 19:00 Uhr erreichten wir Seigbichl etwas westlich von Klagenfurt-Wölfnitz genau zum richtigen Zeitpunkt, denn die Zellen nahmen Fahrt auf, und wie…
Noch war die westliche Zelle die stärkere, aber wir spekulierten, dass ihr die östlichere die Energie rauben würde. Ein gewaltiger Inflow breitete sich aus:
Stadteinfahrt Klagenfurt-Nord. Ein Monster war geboren:
Der gigantische, rotierende Aufwindturm war so beeindruckend, dass wir etwas zu lange warteten, um weiterzufahren. So wurde es ein Wettkampf gegen die Zeit. Die Autobahn verlief deutlich zu weit im Norden, sodass wir uns entschieden auf den Bundesstraßen Richtung Osten den Aufwindbereich zu verfolgen. Die Straßen verliefen nicht optimal, wir mussten aufholen. Kurz vor St. Kanzian am Klopeiner See um ca. 17:45 Uhr, als die Zelle maximale Radarreflexionen zeigte…
… bummm. Eine massive Absenkung, deutlich rotierend. Leider hatten wir keinen guten Blick auf den Funnel:
Als wir endlich freie Sicht hatten, schaute es eher nach einer Scud-Cloud aus:
Bei der vorherrschenden Aufwinddynamik wäre ein Funnel / Gustnado / Tornado aber auf jeden Fall denkbar!
Um ca. 20:00 Uhr ca. bei Sittersdorf sah es vor uns nach wie vor mehr als bedrohlich aus:
20:10 Uhr; etwas weiter östlich Richtung Bleiburg. Der Aufwindbereich und Inflow mit gewaltiger Dynamik sowie der Beginn des Downbursts mit Monsterhagel:
Die Richtung der Straße machte mir mehr als Sorgen. Rechts ein Ansatz einer Wallcloud, vorne oben bedrohliche Türkis-Färbung, und der gewaltige Downburst:
Die Zelle scherte wieder stark Richtung S / SE, daher hatte wir absolut keine Chance mehr die Vorderseite zu erreichen…
… und somit wurden wir kurz vor St. Michael ob Bleiburg geschluckt:
Zum Glück bot ein Salzsilo Unterschlupf, der Hagel hielt sich in diesem Bereich aber mit einer maximalen Korngröße von ca. 3 cm in Grenzen. Zusätzlich gab’s natürlich Sturmböen und Starkregen. Nach ca. 20 Minuten war der ganze Spuk vorbei; die gesamte Situation erinnerte aber schwer an Chasings aus den USA: Überall heulten Sirenen und fuhren Feuerwehrfahrzeuge, ein Stroboskop-Blitzfeuerwerk der abziehenden Superzelle und die Landschaft war großflächig in Mitleidenschaft gezogen. Das nächste Foto (unbearbeitet) zeigt diese Stimmung ziemlich gut, vor allem den massiven, für Hagelzellen typischen Bodennebel:
Wir traten in weiterer Folge über Bleiburg die Heimreise an, zusammengeschwemmte Hagelansammlungen erreichten in diesem Bereich bis zu geschätzten 10 cm:
Die Zelle verließ in weiterer Folge AUT Richtung SLO und schwächte sich vorerst ab, da sich nördlich von Ljubljana (bei Domzale gab es Hagel bis 7 cm bereits bestätigt, lokal eventuell noch größer) eine massive Superzelle gebildet hatte. Später aber zündete auch „unser“ Monster noch einmal durch und aktivierte sich zwischen Celje (CE) und Trbovlje (TB).
Aber auch unsere Zelle produzierte massiven Hagel (es gibt Fotos aus Völkermarkt mit einer geschätzten Größe von 6-7 cm) – leider war es für eine ausführliche Schadensanalyse schon zu spät und wir waren auch zu müde.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass dieser Tag die von den Modellen (sehr genau) berechneten Unwetter brachte. Die Zelle von Klagenfurt bis Bleiburg war in meiner mittlerweile 9 Jahre langen „Stormchaser-Erfahrung“ ein absolutes Highlight, die Schäden sind auf der anderen Seite leider furchtbar.
Zum Abschluss trafen wir uns in Graz mit „Team 1“ > ein beeindruckender Bericht wird von Thomas ebenfalls folgen.
EDIT: Anbei ein Video vom Chasing!
Hier erscheint normalerweise ein Video von YouTube. Bitte wende dich an einen Administrator.
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