Quelle: http://www.kleinezeitung.at/steiermark/ ... raum.storyNaturdrama mit Auswirkungen auf unseren Lebensraum
Mysteriöse Krankheit der Grünerlen führt zu extremen Steinlawinen im Ostalpenraum. "Den meisten Menschen fällt gar nicht auf, dass sich in 2000 Meter Höhe ein Naturdrama abspielt, das gewaltige Auswirkungen auf den menschlichen Lebensraum hat", so Naturschützer Gepp.
Foto © LFV MEIER Bis zu 375 Soldaten waren in 100.000 Mannstunden mit Aufräumarbeiten im Sölktal ebenso im Einsatz wie 61 Wehren der Freiwilligen Feuerwehren
Nur drei Stunden hatte am 17. Juli 2010 ein gewaltiges Unwetter benötigt, um das Sölktal völlig zu verwüsten. 40 Tage hingegen hat der Dauereinsatz des Bundesheeres, der Freiwilligen Feuerwehren und vieler, vieler Helfer gedauert, um wenigstens die ärgsten Schäden zu beseitigen.
Wie konnte es aber zu einer derartigen Katastrophe kommen? Naturschutzprofessor Johannes Gepp hat sich auf Ursachenforschung begeben und berichtet der Kleinen Zeitung exklusiv: "Den meisten Menschen fällt gar nicht auf, dass sich in 2000 Meter Höhe ein Naturdrama abspielt, das gewaltige Auswirkungen auf den menschlichen Lebensraum hat."
Grünerlen sterben ab
Denn seit einigen Jahren sind in den Niederen Tauern an der Waldgrenze 15 bis 30 Prozent aller Grünerlen dürr und abgestorben. Tendenz: erschreckend steigend.
Was uns das angeht? Sehr viel, weiß der Experte. "Grünerlen sind aufgrund ihrer Kletterfreudigkeit unersetzbare Hangsicherer - ähnlich wie die Latschen." Die strauchartigen Gewächse verkrallen sich in über 2000 Meter Höhe in steilhangige Gebirgszüge. Dort halten sie mit ihren zähen und gekrümmten Ästen und Wurzeln in den zumeist schneereichen Zonen Tonnen von Gebirgsgeröll. "Ein armstarker Ast hält die Last von 4000 Kilo Geröll", so Gepp.
"Wenn die Grünerlen sterben, dann beginnen die steillagigen Schutthalden zu rutschen." Und jetzt sterben sie. "Die Äste sind mitten im Sommer schon völlig braun", schildert Gepp die aktuelle Situation. "Das ist nicht wie bei anderen Krankheiten, die nur hier und dort auftreten. Dieses mysteriöse Absterben tritt gleichzeitig überall auf - bis in die letzten Alpentäler."
Besonders erschreckende Ergebnisse zeigen die Untersuchungen im Kleinsölktal, das im Vorjahr verwüstet wurde. "Dort sind die Erlen weg und mit ihnen alles, was sie an Geröllmassen jahrhundertelang gehalten haben. Die gesamte Bodenschicht samt Begleitvegetation wurde mitgeschwemmt. Jetzt ist nur noch der blanke Fels zu sehen. Und das darunter liegende Tal wurde großflächig vermurt."
Die Ursachen für das geheimnisvolle Absterben sind komplex und nicht eindeutig geklärt, sagt der Experte: Hinter allem aber steht das Phänomen des Klimawandels mit seiner Erderwärmung. Zu kurze winterliche Schneeperioden über mehrere Jahre und zusätzlich der trockene Sommer 2003 brachten schon viele Hauptstämme der Grünerlen zum Absterben.
Dann kommt der Holzpilz
Durch den nachfolgenden Befall mit Holzpilzen wurden die armdicken Stämme weich, bröselig und stauben wie braunes Mehl. "Dadurch sinkt die Bruchlast der Erlenstämme auf unter ein Zwanzigstel." Wenn dazu die durch die Erderwärmung auch bei uns immer häufiger auftretenden Starkregenfälle kommen - dann gute Nacht!
"Seit einem Jahr schicke ich meine Untersuchungsergebnisse an Fachleute in ganz Österreich - und alle haben sie bestätigt", berichtet Gepp. Die endgültigen Ergebnisse dieser Studien, die der Naturschutz gemeinsam mit Land und Joanneum Research durchführt, werden erst in einigen Jahren aufliegen. Das könnte dann aber zu spät sein, weiß Gepp. "Wir forschen, aber ich muss vorwarnen, weil es relevant ist. Denn viele Täler in den Alpen sind nun völlig neu zu bewerten."
Vor allem dort, wo steile Täler mit vielen Grünerlen sind, müsse man sich das ganz genau anschauen. Dort drohe große Gefahr. "Manche Täler wird man sogar aufgeben müssen, weil dort eine dauernde Bewohnung unmöglich wird." Eine neue Dimension der alpinen Gefahren könnte jetzt drohen.
Auch im Tal sterben Erlen
Aber auch im Tal sterben die Erlen. Hier sind es Grau- und Schwarzerlen, doch ihre Krankheit ist besser dokumentiert. Sie leiden an der Wurzelfäule, schildert Gepp. Diese wird durch einen eingeschleppten oder neu hybridisierten Pilz der Gattung Phytophthora verursacht. Pilzvergiftung sozusagen.
Ist das jemandem von unseren Wanderbegeisterten bereits aufgefallen? Vor ein paar Jahren war ich im steirischen Untertal (Niedere Tauern), da hab ich noch nichts davon bemerkt.